Samstag, 4. Juli 2015

Nicht in den Wind gesprochen, in den Datenstrom gewispert, in das digitale Rauschen. (Digitales Rauschen - auch schon so ein antiquierter Begriff, wie Cyberspace, wie Kom-putter ... alles so Omi-Worte aus den mittleren 80ern, als noch mit Lasern geschossen wurde, gleich nach der Drehscheibe im ZDF).
Aber Unsterblichkeit gibt es nicht an den Tresen der Literaturhäuser. Der Dichter muss sich treiben (mit den neuesten Dichter-Treibern von Nvidia), um diese Mistkugel aus Schriftzeichen den Berg der Zukunft hochzurollen.
Angenommen der Dichter wird zum Klassiker, wird Nationalheiligtum, ein Bismarkhering der Dichtkunst, ein Metternich-Sekt (der täglich vom ETA seiner Zeit gesoffen wird, in Auerbachs Loft am Gendarmenmarkt, im dritten Kreis des Berghains, in der Hitparade der Sterne, sternhagelvoll unterm Mond von Berlin ... O, show us the next Berthold Brecht, I tell you we must find the next Berthold Brecht).
Dann, ja, dann kann der Dichter mit ein paar Jahrhunderten Nachleben rechnen (das Nachleben des Nachtlebens, so to say), damit rechnen das Teile seines Gehirninhalts, oder besser, eine (BETA)Simulation seiner Meinungen und Erinnerungen in ein paar anderen, nachgeborenen Gehirnen überdauern (sofern sie vorher nicht von Rönne seziert werden, in stumpfsinniger Routine).

Aber was sind das schon, ein paar Jahrhunderte? (Nebenbei: leider bekommt der Dichter ja nichts mit von seiner Simulation ... man müsste ein so komplexes Buch programmieren können, das es zu Bewusstsein gelangt, ein sich selbst lesendes, ein sich selbst lektorierendes Buch). 200 Jahre, 300 Jahre, wenn es gut läuft. Das ist gerade mal die drei bis vierfache Lebenszeit des Orginaldichters, der (sozusagen) Alphasimulation, nein, eher des Nullobjekts.
Welche Dichter aus dem 16ten Jahrhundert fallen ihnen spontan ein, lieber Leser, liebe Leserin? (Regieanweisung: von der Seitenbühne ins Publikum gesprochen. Dann: Exit ghost) Hans Sachs? Keine Zeile von ihm hat sich in mein Gehirn eingeprägt. Wieviele aus dem 15ten? Wieviele aus dem 14ten?
Alles ist eitel! (Immerhin den Andreas, den kann der gebildete Zeit-Konsument noch zeilenweise zitieren).

Also doch lieber Kinder in die Welt penetrieren ("Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen", Werner Schwab ... mittlerweile auch schon wieder ein halb Vergessener)?
Die Enkelkinder schon haben nur noch ein Viertel der Information aus den innersten Innereien des Dichters in ihre Festplatten entpackt, und ob diese Programme dort laufen, oder nur Speicherplatz verschwenden, das lässt sich schwerlich klären.
Urenkel ein Achtel. Nach 200, 300 Jahren sind die Dichterquanten maximal in homöopathischen Dosen vorhanden, im Bewusstseinsschaum der Nachfahren.
Die fahren lieber nach Venedig und tauchen nach Ruinen.

Ruiniert ist also der Glaube an die Unsterblichkeit in wenigen Sekunden. Patsch, mit dem nassen Handtuch der Analyse direkt ins eitle Gesicht des Dichters. Patsch, patsch.
Gepatcht wird dieses Bewusstsein nimmermehr, das bleibt jetzt so, das passt schon. Auch wenn es vorzeitig in den SCHLUND saust, der da heißt HADES. (Ach, hör mir doch auf, mit diesen dramatischen, römischen Elegien. Da reagier ich allergisch drauf).

Lieber aufhören zu dichten, stattdessen Genetik studieren und das Leben verlängern. Die 200, 300 Jahre, das kann doch nicht so schwer sein.
BORG mir dein Bewusstsein, ich BORG dir meins. "Dein BAC, mein BAC" schon in zwei Generationen vergessen, all die schönen Werbesprüche meiner Kindheit werden mit meinem Bewusstsein ersterben. BLOG, BLOG.


Unsterblichkeit ist so einfach ...

... vor allem für Hans Sachs

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