Samstag, 12. Januar 2013

Ein Leben ist nicht genug! Das ist viel zu wenig Zeit!
Ich würde so gerne nicht nur ein Schriftsteller sein (ein guter), sondern auch ein Maler, ein Komponist, vielleicht ein Schauspieler.
Es ist nun rund zehn Jahre her, seit ich das Malen aufgab. Zwar nicht von einem Tag auf den anderen, aber als ich 2002 beschloss, dass ich nicht gut genug werde könne, um ein wirklich bedeutender Bildender Künstler zu sein, habe ich weniger und immer weniger gemalt, bis schließlich dieser Nebenarm meines großen, großen Geistesflusses austrocknete.
In den letzten Jahren habe ich es ab und an noch einmal versucht, habe Papier und Bleistifte, Aquarellfarben, Kohlestummel in die Hand genommen, aber es wurde immer nur: Mist.
Ich hätte nicht gedacht, dass man so eine Fertigkeit völlig verlernen kann, ins Besondere, weil ich in den 90er Jahren kaum etwas anderes gemacht habe, nahezu jeden Abend an der Staffelei stand; aber nichts ist übrig geblieben, meine Zeichnungen sehen nunmehr aus wie von einem Dilletanten hingekritzelt, von einem untalentierten.
Dabei habe ich die Arbeit an der Staffelei immer mehr geliebt, als die an der Schreibmaschine (mittlerweile am Notebook). Das völlige Aufgehen in der Arbeit, der Tanz vor der Leinwand, der Tanz auf der Leinwand. Der Flow fließt zwar auch beim Schreiben, aber dieses totale Außersichsein, ist lang nicht so forciert.
Dummerweise hatte ich seinerzeit einfach festgestellt (nach einem freundlichen Hinweis der Künstlerin Brigitte Waldach, die charmant aber gnadenlos sein konnte), dass ich der bessere Schriftsteller wäre, wenn ich mich denn ins Zeug legen würde; und nach dieser Erkenntnis musste ich mich natürlich richten. Und natürlich war es auch eine gute Entscheidung, wenn ich mir jetzt so anschaue, zu was ich fähig bin. Aber es bleibt eine Melancholie.
Also, wieso ist mir nicht mehr als ein Leben gegeben? Das nächste würde ich von Kindheit an der Malerei widmen – denn einer der Fallstricke war mein mangelnder Fleiß in den 80er und 90er Jahren. Ich habe mich lieber ins Leben gestürzt. Das ist natürlich gut für die Dichtkunst gewesen, für die Bildende Kunst war es das nur bedingt.
Und in einem weiteren Leben würde ich ein halbes Dutzend Instrumente erlernen und wilde Stücke komponieren. Mikrotonale Wirbelstürme für vierzehn Streicher. Suiten für Wind, Bläser und Duschkopf. Fugen für Fön, Donner und Cembalo.
Ach, ein einziges Leben ist einfach nicht genug. Wieso haben meine Eltern mich nicht in die Musikschule geschickt und mich gequält, bis ich ein Instrument konnte? - Warte mal, die haben mich in eine Musikschule geschickt und gequält, nur leider nicht mit Klavier oder Geige, sondern mit Klangstäben. Orffsche Musiklehre – verlorene Hoffnung!

Die einzige Kunstform, die mir jetzt noch offen steht, in Zeiten, wo meine Haare in Panik zurück weichen, ist die Photographie. Die Technik ist schnell zu erlernen, der Rest ist Bildausschnitt, der richtige Moment und eine eigene Ästhetik. Das sollte kein Problem werden. Lasst mich knipsen, dafür braucht es vielleicht ein Viertel Leben (oder darf es etwas mehr sein?)...


Florian Voß nach Beendigung 
seiner Suite „Eis auf dem Alexanderplatz“
für drei Cembali, Dampframme und U-Bahn-Räder

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