Sonntag, 13. Januar 2013

Die Ästhetik des PICASA-Bildbearbeitungsprogramms wird dereinst das Bild des frühen 21ten Jahrhunderts prägen.
Die Art von Cross-Entwickler, das Sepia, die Duoton-Aufspaltung in Gelb und Blau, die künstliche 60er-Jahre-Patina, diese Effekte werden typisch für die Photo-Ästhetik sein, die unsere Nachfahren mit uns verbinden werden.
Ich kann mich gut an das erste Mal erinnern, als ich bewusst digitale Photographien wahrnahm. Im Jahr 1998 besuchte ich eine Ausstellung in der Galerie Ochs, die die damals noch revolutionäre und sehr kostspielige Digitalphotographie zeigte (ich schrieb eine Kritik für ein Hochglanzmagazin über die Vernissage). Alle museumsgroßen Photos hatten merkwürdige graue Fleckchen und meskalintrip-artige Strukturen in hellen Grüntönen auf der Oberfläche. Ich hielt sie an dem Abend für den Ausdruck einer speziellen Ästhetik; erst Jahre später, als sich die Digitalphotographie auf dem Massenmarkt durchgesetzt hatte, wurde mir bewusst, dass es sich einfach nur um technische Artefakte handelte, die der noch nicht ausgereiften Technik geschuldet waren.
Nichtsdestotrotz werden in hundert Jahren diese Fehler als Stilbildend gelten, so wie die grob gerasterte, bräunlich-ausgeblichene Anmutung der Salzabzüge von 1845 als Stilbildend gilt.

Wie erst müssen in hundert Jahren diese grellen, unnatürlichen Farben und Strukturen des PICASA-Programms wahrgenommen werden, das heutzutage vermutlich auf jedem zweiten PC weltweit installiert ist? Vielleicht wird diese Ästhetik dann so verehrt werden, wie jetzt die des Jugendstils.
Vielleicht sollte ich meinen Blog ausdrucken und signieren. Ihn in einzelne Stücke zerschneiden und wie japanische Rollbilder zwischen zwei Bambusstöcke klemmen?

So oder so ist es sehr interessant, darüber nachzudenken, was für unser Zeitalter exemplarisch stehen wird. Die ganzen iPhones sicher nicht, denn die sind nur ein Abklatsch vom BRAUN-Design des mittleren 20ten Jahrhunderts. Schon eher das Kindle-Keyboard (ehemals Kindle3), vor allem weil es für die wirkliche Revolution des 21ten Jahrhunderts stehen wird. „Sie verlassen die Gutenberg-Galaxis“. Zudem sieht das alte Kindle sehr eigen aus, mit seiner Tastatur aus kleinen, runden Knöpfen.

KINDLE Keyboard

KINDLE Keyboard

Doch welche Kleider werden es sein? Kaum zu entscheiden; denn wer hätte gedacht, dass weiße Nietengürtel einstmals als typisch 80er gelten würden. Immerhin glaube ich zumindest schon für die 90er sagen zu können, was als eigenartige Frauenmode gehalten werden wird: schwarze Schlaghosen aus weichem Stoff, die knapp über dem Knöchel enden, dazu bauchfreie Tops und Turnschuhe mit Plateauabsätzen - (Erinnert sich noch jemand? Die waren gruselig!) - die Haare wuschelig und in Neonfarben (Directions!)...

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