Mittwoch, 5. September 2012

Vielleicht hat die TBC dem Doktor Kafka aber auch sieben Jahre Lebenszeit geschenkt, und uns unter anderem "Das Schloss", "Ein Hungerkünstler" und "In der Strafkolonie", denn was wäre gewesen, wenn die Kranktheit 1917 nicht endgültig ausgebrochen wäre? Man hätte Franz K. an die Front geschickt.
Zwar war er in den ersten Jahren des Krieges noch als "unersetzliche Fachkraft" unabkömmlich gestellt - auf Bitten seines Vorgesetzten, und gegen seine eigene Intension - aber schon 1915 wurde er als militärisch "voll verwendungsfähig" eingestuft, und es hätte sicher nicht mehr lang gedauert bis zu seiner Einberufung, wäre er nicht 1917 so schwer erkrankt.
Also hat ihn die TBC möglicherweise vor dem Tod an der Front bewahrt.

Vielleicht aber hätte er auch in der Etappe, in einer Schreibstube dort, überlebt. Und danach den ersten großen Anti-Kriegsroman geschrieben. Möglich wäre auch gewesen: er wandert 1912 nach Palästina aus, das Klima dort unterstützt die Ausheilung seiner Lunge, er lebt in den nächsten Jahrzehnten in einem Kibbutz und publiziert bis zu seinem Tode 1975 acht sonnendurchtränkte, lebensbejahende Erzählungen. Letzteres allerdings ist schwer vorstellbar.

Oder er heiratet im November 1917 die schöne Tilka Reiß, die er ein Jahr zuvor kennen gelernt hat, zeugt vier Kinder (zwei Buben, zwei Mädchen; eine wird später die legendäre Malerin und Weltreisende Franziska Thylia Kafka-Blomstedt), seine TBC wird durch Spontanheilung kuriert (unterstützt durch den Magnetisieur und Spiritist Dr. Valboni-Eisenhans), die Familie emigriert 1935 in die Schweiz (zusammen mit Kafkas Schwestern), Franz bekommt 1938 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen, und alle leben glücklich und zufrieden am Genfer See. Und wenn sie nicht gestorben sind...

Tilka Reiß, 1917

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