Montag, 7. Mai 2012

Nach der Lesung in der Z-Bar, als ich mit Freunden zusammen stand und die Falten in den Gesichtern zählte (ein Dutzend, ein Hundert, eine Ansammlung von Netzen, die sich mit anderen Netzen in weiter entfernten Teilen des Gesichts verbanden), als ich also meine Freunde anschaute, fiel mir erneut etwas auf:
Wenn du die Menschen kennst, die dich gerade umgeben, wenn es Freunde sind, oder zumindest nahe Bekannte, die dir immer vor Augen waren, über Jahre hinweg, dann scheinen sie dir genau so jung zu sein, wie du selbst. Im Personalausweis steht ausweislich: 40 Jahre alt, oder 45. Aber sie alle sind jugendlich in deinen Augen; Jugendliche, die Eltern haben, Jugendliche die noch die Kinder von irgendwem sind.
Anderntags aber, oder Wochen zuvor, stehst oder standest du zum Beispiel im Großraumabteil eines ICE, und neben deinem Sitz, in dem du fast versackt warst, mit einem Buch in den Händen, das du nicht gelesen hattest, weil deine Ohren immer spitzer wurden, da standen zwei ältliche Männer im Mittelgang und unterhielten sich über sonst was (vermutlich über Fußball, so wie sie sich immer über Fußball unterhalten, diese dick gewordenen Familienväter). Und du dachtest: was für alte Säcke, der eine könnte mein Vater sein, der andere mein verlebter Onkel.
Und dann schwenkte ihre Unterhaltung zu einer Geburtstagsparty, und dir wurde mit einem Schlag, einem heftigen, bewusst, dass diese ältlichen Männer fünf, sechs Jahre jünger waren als du selbst, jünger noch als deine jüngeren Freunde. Väter waren, so wie du Vater bist, Falten hatten, Schmerbäuche, Hängetitten unter den ausgeleierten T-Shirts.
Kein Gedanke mehr, jugendlich zu sein, nur noch das faltenscharfe Spiegelbild des gestrigen Morgens vor dem inneren Auge. Die steifen, kaum beweglichen Finger am Buchrücken. Plötzlich um Jahrzehnte gealtert, endlich ein Vater, mit einem schon toten Vater. Und alle Freunde jünger als du. Und die Welt nur noch ein Hauch in deiner Welt, fast schon eine Erzählung über einen Mann, der einstmals gelebt hatte, der Bücher in den Händen gehalten hatte, dessen Namen man nicht mehr wissen konnte, wenige Jahre später.

Aber in der Z-Bar, unter all diesen Freunden (und den guten Bekannten), da war das Licht trübe und gnädig. Und hier sind die letzten Bilder des Abends.

Florian Voß
(Photo: Asmus Trautsch)

Florian Voß, Johannes Frank 
(Photo: Asmus Trautsch) 

Florian Voß, Johannes Frank 
(Photo: Asmus Trautsch) 

Butch Cassidy and the Sundance Kid 
(Photo: Asmus Trautsch) 

Björn Kuhligk, Johannes Frank

Björn Kuhligk, Johannes Frank

Norbert Lange, Asmus Trautsch

Norbert Lange, Asmus Trautsch

Andrea Schmidt, Jinn Pogy

Björn Kuhligk

Tea Kolbe

Tea Kolbe

Johanna Melzow


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