Mittwoch, 9. Mai 2012

Im Halbschlaf liegen neben dem Kind, das aufgeschreckt war aus dem Schlaf und wieder zu Bett gebracht werden musste, im Halbschlaf neben dem ruhig und regelmäßig atmenden Kind, im Halbdunkeln – nur durch den Türspalt zum Flur fällt Licht. Und immer wieder im Takt seiner Atmung in Schlaf sacken.
Wie ist denn dieser Übergang, oder ist es kein Übergang? Im Aufschrecken darüber nachdenken, mit einem Gehirn, das immer wieder die Grenze überschreitet zum Schlaf hin. Und diese Grenze ist mehr wie ein Sandstreifen, in den das Denken sinkt, unter dem sich ein Bild in die Dunkelheit des Denkens, des „Worte bildens“, in diese Lichtlosigkeit hinter den Augenlidern also schiebt, ein noch schemenhaftes Bild, das langgestreckt so da liegt im Bewusstsein, und dass dann das Bewusstsein entlang dieses Bildes, das mehr ein leuchtender Streifen ist, der sich immer tiefer in den wirklichen Traum windet... dieses Bild also, diese Rutschbahn eines Bildes zieht das Bewusstsein auf eben diesem Bild hinab, das Bewusstsein strudelt, gleitet hinab, oder doch eher hinauf (aber hinauf in den Schlaf, der über meinem Gehirn liegt wie ein lichtloser Himmel), über den Grenzstreifen fliegt es, gleitet es noch immer aus der unpersonellen Ich-losigkeit des Halbschlafs in die fast personelle Ich-losigkeit des Traums, der aber noch nicht so weit hinabreicht, oder der mich noch nicht so weit zu sich hinab (oder hinauf) gezogen hat, dass ich nicht wieder in das Denken zurück schrecken kann und meinen Fingernagel spüre, der sich in meine Gesichtshaut gegraben hat, weil ich im Hinabsinken den Zeigefinger an die Wange gelegt habe.
So geht das hin und her, und ich bekomme es nicht zu greifen, weil mein Ich nicht vorhanden ist, oder vielmehr ruhig gestellt.
Und werde ich, wenn ich denn einstmals sterben muss, genau so aufschrecken aus diesem Prozess, der mich in die Ich-losigkeit hinein winden wird. Wird da etwas anderes kommen, hinter dem Traum, kann hinter dem Traum etwas anderes kommen als Schlaf? Wird jemand atmen, etwas atmen, hinter meinem Atem? Oder wird vielmehr mein Ich aus der Rutschbahn des letzten Bildes (Worte bildend) in das AUS rutschen und still sein, wird die Kopfmaschine aus dem Wort-Takt geraten und verstummen?
Oder werde ich eingehen in einen Traum den man allgemein hin Tod nennt, und der mir einen Rest übrig lässt, mir gestattet eine fast personelle Ich-losigkeit zu sein, als ein mehr und mehr verschwindender Partikel in einem noosphärischen Traumstreifen, der keine Grenze mehr ist, der sich aber erstreckt in beide Richtungen der Zeit, ohne den Raum je zu steifen?

Und jetzt sitze ich hier, vor meinem Computer, der, so sagt man uns, bald ein Bewusstsein haben könnte, ein unsterbbares, ewig währendes Ich. Hier sitze ich also, fern des Atems meines Kindes, das zwei Räume weiter in seinem Schlaf liegt, und die Zeit zieht einen Graben zwischen seinem Gleiten durch seinen Traum, der ihn zu einem weiteren Morgen bringen wird, und meinem Wachsein, meiner Wachsamkeit, die doch durch das Fließen der Zeit immer wieder (und immer fortwährend) ein Ersterben des Bewusstseins ist, denn schon kann ich mich nur noch an den Anfang dieser Zeilen erinnern, schreibe sie nicht mehr, habe nur ein Fenster von drei Sekunden (so sagt man uns), die mir als Leben erscheinen, bin also nur noch ein Vermittler meines eigenen Todes der letzten Sekunden, habe nichts im Gehirn als Erinnerungs-Träume, gleite durch diesen Abschnitt von Bewusstsein wie eine Leiche, habe nichts in den Händen, habe nichts vor den Augen. Aber alles ist noch da. Ich könnte aufstehen, hinüber gehen, nach meinem Kind schauen. Das atmet. Und träumt. Und nichts von all dem weiß. Das unberührt ist vom Tod.







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