Montag, 16. April 2012

Schon meine gesamte Kindheit habe ich mit Malen verbracht, jeden Tag saß ich über Papier gebeugt, im Kindergarten, in der Schule, zu Hause.
Einmal, als ich eine Maske für Fasching malte, beugte sich meine Kindergärtnerin dazu und fragte, woher ich denn den silbernen Stift hätte, mit dem ich diese große Maske ausgemalt hatte. Es war ein Bleistift, ich hatte stundenlang daran gearbeitet.
Jahre später, 1979, beim Umzug von Lüneburg nach Karlsruhe, gingen alle Zeichnungen verloren, mehr als zweitausend Stück. Mein Frühwerk - vermutlich auf der städtischen Müllkippe.
Eines der wenigen Dinge, die die Zeiten überlebte, war ein Ausmalbuch mit Geschichten aus dem Alten Testament. Vermutlich weil es beim Umzug in einer Bücherkiste gelandet war. Ich mag noch heute die wilde, psychedelische Farbgebung.

Florian Voß, Joseph - Sohn des Jakob, um 1975


Der Rest also auf der Müllkippe; das dämpfte meinen Ehrgeiz und meinen Fleiß für einige Jahre, bis ich dann mit Fünfzehn wieder anfing, nachdem ich in der ART einige Bilder von Helmut Middendorf und Rainer Fetting gesehen hatte. Farbrausch.
In den 90ern lebte ich als Maler in Friedrichshain und Kreuzberg, hatte die eine oder andere Ausstellung, und steckte mit dem Schreiben zurück. Meine Wohnung war mein Atelier und roch nach Terpentin, Leinöl und Knochenschwarz (ein Geruch wie aus der Gruft). Dazu Nikotin und abgestandener Rotwein (die Flasche für 1 Mark 99).
Ich wurde besser, aber ich wurde niemals wirklich gut. Ich stieß gegen Wände, ich war nicht so gut, wie ich sein wollte, also hängte ich die Palette an den Nagel, kurz nach der Jahrtausendwende. Die letzten Sachen waren abstrakte Aquarelle (die einzigen eigenen Arbeiten, die noch heute im Flur hängen).

Florian Voß, OT, um 2001


Vorbei das Leben der Boheme, keine trocknenden Bilder an den Wänden, keine Farbspritzer und ausgedrückten Zigarettenkippen auf dem Dielenboden, nur noch Schriftsteller.
Nur noch Schriftsteller, aber was für einer. Nachdem ich das Malen aufgegeben hatte, ging das Leben als Künstler erst richtig los: sechzig, siebzig Gedichte im Jahr, Theaterstücke, Romane. Endlich keine Wände mehr.

Heutzutage befriedige ich meine Sehnsucht nach bildnerischer Arbeit mit merkwürdigen Computergrafiken und Skulpturen aus LEGO.

Florian Voß, LEGO Totenschädel, LEGO Totenkopf, 2012


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