Samstag, 21. April 2012

Bach, Werke für Laute, auf nur einer Laute von Walter Gerwig 1964 eingespielt, was unfassbar ist, denn es hört sich teils wie zwei Instrumente an. Gerwig ist ein bis heute unerreichter, und leider fast vergessener Musiker - und ich habe viele Lautenisten gehört - ein Genie sowohl der Technik als auch der Inspiration. Immer wieder ist es für mich beglückend ihn zu hören. Nur gut, dass es Tonkonserven gibt, ich wäre sonst nie in den Genuss gekommen, denn Walter Gerwig starb bereits 1966 mit Mitte Sechzig.
Mein größter Traum wäre ja die Erfindung des Phonographen fünfzig Jahre früher, als sie dann leider erst stattgefunden hatte. Wir könnten nicht nur Schumann hören, wie er seinen Kindern die Waldscenen vorspielt (sein Kopf nickt leicht dabei), wir könnten auch den alt- und stocktaub gewordenen Beethoven beim Improvisieren lauschen (neben sich, auf einem Schemel, die Rotweinflasche). Und, ich darf nicht dran denken, wir könnten akustisch dabei sein, wenn der traurige Schubert allein an seinem Fortepiano sitzt - nicht im Kreise seiner Freunde, nein, allein in seinem Zimmer, eine Lampe auf dem Tisch am Fenster, hinter den schlierigen Fensterscheiben wirbelt der Schnee) - und er spielt nicht nur, er singt auch noch: Die Winterreise... Eine Krähe war mit mir aus der Stadt gezogen.

Die Stimme Goethes: eine Mischung aus hessischem und thüring´schem Näseln. Hölderlins autistisch vernuscheltes Schwäbisch. Heinrich Heines sanfmütiges Rheinisch. Merkwürdige Vorstellungen.

Immerhin habe wir ein annäherndes Beispiel von Beethovens Improvisationskunst: der Klavierteil der Chorfantasie c-moll op. 80 wurde bei der Uraufführung vom Maestro selbst, ja, phantasiert, und nach der Premiere dann in Noten gesetzt. Offenbar ohne größere Überarbeitungen. Mit Opus 80 haben wir sozusagen einen Live-Mitschnitt.

Und Robert Schumann hätte ja fast das Alter für die erste Aufnahme erreicht, hätte er sich nicht die Leber weg gesoffen; im April 1860, siebzehn Jahre vor Edisons erster Phonograph-Aufnahme, wurde eine unbekannte Frauenstimme festgehalten, auf dem obskuren Phonautograph des Franzosen Edouard-Leon Scott de Martinville. Etwas über eine Minute lang erklingt, nein, erkrächzt das Kinderlied "Au clair de la lune". Eine Stimme die nun genau 152 Jahre alt ist. Hier zu hören: Link


.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen