Freitag, 9. März 2012

Adolf Hitler. Ich beginne den heutigen Eintrag mit „Adolf Hitler“, um die Leserschaft meines Blogs zu steigern. Denn alles was in Deutschland mit Adolf Hitler beginnt, steigert die Leserschaft. Und ich schiebe noch ein emphatisches „Jesus Christus“ hinterher. Bismarck! Friedrich der Große!

Christian Kracht hat in Zürich gelesen, las ich gerade bei SPIEGEL ONLINE. Vor lauter reichen Leuten, die ein Schnitzel bezahlen konnten. Ein Schnitzel für 48 Franken; das fand der Rezensent interessant.
Und dem Spiegel kommt Kracht ja nicht nur zu reich, sondern neuerdings auch vril zu braun vor, weil er es wagt über einen Lebensreformer zu schreiben, der um die vorletzte Jahrhundertwende herum in Kaiser-Wilhelm-Land lebte.
Es macht jemanden im deutschen Feuilleton offenbar schon zum NAZI, wenn man über das Kaiserreich und dessen ehemaligen Kolonien schreibt. Genau, der Kaiser war schuld.

Dabei muss man doch einfach nur Krachts „1979“ lesen, um zu begreifen, dass der Autor nichts für totalitäre Regime übrig zu haben scheint, wenn man auch eine gewisse Lustangst zwischen den Zeilen entdecken kann.

Mir sowieso ein Rätsel, wie manche Journalisten die gesamte (deutsche) Lebensreform-Bewegung für den ursprünglichen braunen Sumpf halten können. Sicher, der Herr Hitler war Teilzeit-Vegetarier (liebte bis zum bitteren Ende allerdings die Fleischklöpse seiner Leibköchin, wenn ich mich recht entsinne), aber er lief weder nackt über den Nürnberger Parteitag, noch tänzelte er durch Sonnenstrahlen und duzte jedermann. Auch sah er nicht gerade aus wie ein verfrühter Hippie.
Ich weiß ja schon, dass auch die Freicorps nach dem WK 1 sich zu einem größeren Teil aus der Wandervogel-Bewegung speiste, und die spätere SA wiederrum aus den Freicorps. Und es gab, lange verschwiegene, Verbindungsstrahlen zwischen dem sich esoterisch empfindenden Pack des Himmlerischen Ahnenerbes (et al) und verschiedenen obskuren Geheimbünden, die man an den Rand der Lebensreform-Bewegung einordnen könnte. Aber es gab ja auch Erich Mühsam (der – nota bene – ein bedeutenderer Bohemien als Literat war), es gab den Monte Verità. Die frühen Kommunen (inklusive Partnertausch), die Impfgegner, Sonnenmenschen, Hungerkünstler. Und es gab diese wirklichen Naturburschen, aus der Zeit gefallene Ökofreaks, die mit Schillerkragen und schulterlangen Haaren barfuß durchs Reich wanderten, um sich mit Landstreichern, Gaunern und Ausgestossenen zu verbünden.
Das waren die letzten Vaganten, die letzten Romantiker. Die letzten, die muttersprachlich Rotwelsch kauderwelschten. Leute wie Gusto Gräser. Das ist eine gute Tradition.

Auch wenn der SPIEGEL nur die Hitler-Fliege in der Sauerampfer-Suppe erkennen kann.

Gusto Gräser um 1910

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